HEIMVORTEIL

Das Künstlerehepaar Christa und Peter Panzner

Text und Konzeption: Jana Schütze

Fotos: Florian Felix Koch

Im Winter 1991 fahren Christa und Peter Panzner zum ersten Mal in das brandenburgische Dorf Oehna. Sie sind auf der Suche nach einem Haus für sich, ihre 3 Söhne und ihre Bilder. Ein Bekannter riet ihnen sich einmal hier umzuschauen, nachdem sich in ihrer näheren Umgebung nichts ergeben hatte.

Der Ortseingang ist von Pappeln gesäumt, überall liegt Schnee und auf dem Dorfteich laufen Alt und Jung Schlittschuh. Peter Panzner findet sich damals in einem Motiv des holländischen Malers Bruegel wieder.

Das ehemalige Schulhaus wird ihnen von der Gemeindeverwaltung angeboten. Es verfügt über ausreichend Platz und hat dazu noch einen großen Garten. Das ist für Christa Panzner der ausschlaggebende Punkt: Sie bewerben sich um das Haus und können es kaufen.

„Ich wusste, dass ich mich wohlfühlen kann. Aus dem Giebelfenster schaue ich auf die Kirche mit ihren Steinen aus dem Mittelalter. Es ist ein ruhiger Ort, der eine Verbindung zur Vergangenheit herstellt.“ Christa Panzner

Mit dem Ende der DDR war das Einkommen für die diplomierten Maler und Grafiker nicht mehr in der gewohnten Form gesichert. DDR-Kunst wurde verfemt und Ausstellungs- wie Verkaufsmöglichkeiten nicht länger durch den Verband Bildender Künstler kulturpolitisch reguliert. Es gab eine starke Auswahl; nur Verbandsmitglieder durften freiberuflich tätig werden und Mitglied wurde in der Regel, wer einen Abschluss an einer Kunsthochschule hatte.

Peter Panzner sah sich unter den veränderten Umständen dazu gezwungen einen Brotjob aufzunehmen.
„Ich stieß auf die Ausschreibung als Hausmeister eines Berliner Vereins. Es gab neben mir nur einen weiteren Bewerber.
Ich habe die Stelle bekommen, weil die Chefin ein Herz für Künstler hatte.“

„Für Resignation hatten wir keine Zeit.“

1991 hatten Panzners gemeinsam mit Kollegen begonnen, die Kunstschule in Potsdam nach dem Vorbild ihrer eigenen Ausbildung („Jeder kann sich in den einzelnen Disziplinen der Bildenden Kunst erproben“) aufzubauen.

„Obwohl das Unterrichten nicht unser Ziel war, hat die Lehre einen Vorteil: sie fordert. Kinder können es immer am besten. Sie sind, indem wie sie an Dinge herangehen, nicht nachzuahmen. Durch die Zusammenarbeit mit den Kindern und Jugendlichen, haben sich persönliche Verhärtungen immer wieder lockern können.“ Christa Panzner

Ein Kontakt zu den Dorfeinwohnern ist in dieser ersten Zeit, aufgrund des täglichen Pendelns nach Potsdam und Berlin, nicht entstanden.

„Wir sind früh aus dem Haus gegangen und spät wieder da gewesen.
Finanziell war das nur so zu stemmen. Wir hatten unseren Kindern gegenüber eine Verpflichtung und wollten es ihnen ermöglichen, studieren zu können.“
Peter Panzner

Die Dorfbevölkerung beobachtete, was Panzners mit dem Grundstück vorhatten; wie sie Haus und Garten wieder herrichten würden. „Wir taten das in aller Ruhe und haben uns dabei nicht als Künstler aufgespielt. Es ist wie das alte Sprichwort sagt: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Wir haben kein introvertiertes Gehabe und weil sich da kein gängiges Klischee bestätigte, hatten wir wahrscheinlich auch keine Schwierigkeiten.“, führt Christa Panzner aus.

„Es gab Zeiten, da dachten wir, das Ganze war ein Fehltritt.“

Anfang der 90er Jahre wurde in Oehna die größte Diskothek Brandenburgs betrieben. Das ruhige Dorfleben pausierte zwischen Freitagabend und Sonntagmorgen.

„Jedes Wochenende war das Dorf zugeparkt und die ganze Nacht Betrieb. Unter den Besuchern waren viele rechtsorientierte Jugendliche.“, erinnert sich Peter Panzner.

Leider blieben Konfrontationen nicht aus: „Unser Sohn und sein Kumpel trugen Iro.“ Eine Gruppe aus der rechtsextremen Szene hatte es auf sie abgesehen und verfolgte beide durch die benachbarte Kleinstadt. Glücklicherweise erfolglos, weil sie Zuflucht in einer Gaststätte fanden.

„So etwas kannten wir vorher nicht. Wir wohnten an der Grenze zu Berlin mit einer hohen Dichte an Intellektuellen, die anderer Gesinnung waren. Die Zeit hat dann manche ins Gefängnis gebracht und verändert. Heute zählen einige sogar zu guten Bekannten und Freunden unserer Söhne.“
Christa Panzner

„Es gab immer eine Distanz, aber eine gut tolerierte.“

Bald setzen Panzners auch im Dorf kunstpädagogische Projekte um. Ihr Ansatz ist es, Kinder aus der Stadt mit Kindern vom Land zusammenzubringen.

Die Arbeiten der teilnehmenden SchülerInnen hängen in den Bäumen und werden um den Dorfteich konzipiert. „Wir konnten immer alles durchziehen und das fand ich schon beachtlich, schließlich war hier Kunst konzentriert und zog Publikum von außerhalb an.“, erzählt Peter Panzner. Die Einheimischen kamen zu diesen und auch zu eigenen Ausstellungen von Panzners; aber immer blieb eine kommentarlose Distanz bestehen.

„Die Anzahl der Leute, die auf unsere Kunst reagieren ist nicht sehr groß, damit muss man leben.“ Christa Panzner

Peter Panzner sieht einen Grund dafür im anderen Verständnis von Kunst: „In den meisten Fällen muss etwas Gegenständliches abgebildet sein, um nicht als Gekritzel abgetan zu werden.“ Die regionale Tageszeitung bestellten sie vor Jahren ab, als die Beiträge zu den Ausstellungen niveaulos wurden. Christa Panzner erklärt: „Auch in der Kritik kann ich mich verstanden fühlen, aber leider maßt sich jeder an, über Kunst zu schreiben und das geht so einfach nicht!“

„Ich könnte mir vorstellen, dass es Ecken
in der Stadt gibt, die weniger belastet sind, als hier auf dem Land.“

Das dörfliche Leben verändert sich. Trotz des Einwohnerrückgangs um ein Drittel, auf 409 Personen, gibt es auch Zuzug aus der Stadt. Unter den neuen Nachbarn haben sich Gleichgesinnte zum Thema Ökologie gefunden.

Gemeinsam sind sie beim ortsansässigen Agrarunternehmen vorstellig geworden, um Klarheit darüber zu erlangen, wie Landwirtschaft auf den Feldern hinter ihren Häusern betrieben wird.

Leider wurden ihre Bedenken nicht ausgeräumt, sondern bestätigt. So wird zum Beispiel das als krebserregend eingestufte Pflanzenbekämpfungsmittel Glyphosat eingesetzt.

„Früher habe ich an den Feldrändern Kräuter gesammelt; das unterlasse ich heute.“ Christa Panzner

Die Vorstellung vom schönen Landleben trifft nur noch bedingt zu. Christa Panzner vermutet, dass sich das ökologische Bewusstsein, auch in der Landbevölkerung stärken wird. Wie es in der Angelegenheit weitergehen kann, steht durch die aktuellen politischen Beschränkungen zum Corona-Virus allerdings noch aus. Der Konflikt zwischen ökologischer Verträglichkeit und Ertragszwang wird sich nach Meinung von Peter Panzner schwerlich überwinden lassen. „Ich denke, dass die Eigentumsverhältnisse die Zukunft gestalten werden.“

Am Teich, 2016 von Christa Panzner

„Nur hier sein, wäre für uns zu wenig.“

In all den Jahren blieb das eigene künstlerische Schaffen sowohl für Christa, als auch für Peter Panzner von der unmittelbaren Umgebung weitestgehend unbeeinflusst. Es waren und sind Besuche bedeutender Museen Europas und Studienreisen in ferne Lebensräume, wie Namibia und Ägypten, die zu ihren eindrücklichsten Erlebnissen zählen.

„Es gehört für die Arbeit zwingend dazu, neue Impulse zu kriegen. Für mich bedeutet das Reisen, WELT-ER-FAHREN. Ich denke, dass die Betrachtung eines Raums sich dann verändert, wenn man ihn sich selbst erschließen muss.“ Christa Panzner

Reflexionen ihrer Arbeiten entstehen immer über ein Außen; in aller erster Linie durch Ausstellungen. „Wenn die eigene Arbeit in einem Raum hängt, der unabhängig von einem ist, dann bekommt man wieder eine freie Sicht auf sich selbst.“, verdeutlicht Christa Panzner. Sie haben darüber hinaus das große Glück oder wie es Peter Panzner ausdrückt, einen Heimvorteil, weil sie ein professionelles Außen im jeweils anderen gefunden haben. „Ohne meine Frau wäre ich vielleicht gleich Hausmeister geworden.“